Erschienen in der Monatszeitschrift NATUR & HEILEN Ausgabe 3/2022.

Aus der Angst in die Kraft

Gegenwärtig sind wir mit Umbrüchen und Krisen konfrontiert, die sich in allen Bereichen niederschlagen, sowohl kollektiv als auch individuell. Gerade in diesen turbulenten Zeiten sind wir dazu aufgefordert, unsere Fähigkeit zu entwickeln, mit Widrigkeiten umzugehen und durch Herausforderungen zu wachsen. Jeder von uns trägt Ressourcen, innere Stärken in sich, derer er sich bedienen kann, um herausfordernde Situationen in seinem Leben wie Lebenskrisen, Krankheiten, Verluste usw. zu bewältigen, aber auch um sich globalen Herausforderungen wie der jetzigen Corona-Krise zu stellen.

 

Egal wie eine Krise ausgelöst wird – ob durch eine Krankheit, einen Verlust, einen Unfall, oder wie jetzt durch eine Pandemie –, die Ressourcen, die wir brauchen, um diese Krisen zu meistern, sind die gleichen.
Je besser der Zugang zu den Ressourcen, die wir in uns tragen, desto mehr stehen sie uns zur Verfügung, wenn wir sie brauchen – entweder um wieder gesund zu werden, wenn wir krank sind, oder um der Welt eine andere Richtung zu geben, wenn alles aus den Fugen gerät.
Es gibt 7 Schlüssel, die uns zu mehr Kraft und innerer Stärke verhelfen. Diese 7 Schlüssel sind auch wirksame Ressourcen gegen die Angst.

1. Schlüssel: Sinn finden in der Krise
Dem, was passiert, einen Sinn geben

Die Sinnsuche bzw. -findung ist zentral für unser Leben. Denn wenn wir verstehen, was uns passiert, können wir herausfordernde Situationen besser ertragen.
„Kennt der Mensch ein Wozu seines Lebens, erträgt er manches Wie“, sagte schon der Neurologe und Gründer der Logotherapie (der sinnorientierten Psychotherapie) Viktor Frankl, der vier Konzentrationslager überlebte und dazu das sehr beeindruckende Buch „Trotzdem Ja zum Leben sagen“ geschrieben hat. Wir können nicht verhindern, dass wir Leid erfahren, aber wie wir mit diesem Leid umgehen, ist entscheidend. In der Art und Weise, „wie wir dieses Leid tragen, liegt auch die einmalige Möglichkeit zu einer einzigartigen Leistung“, so Frankl. Der Wille zum Sinn ermöglicht es uns, Perspektiven zu entwickeln, die uns aus der Krise führen.

Der 1. Schritt, der unabdingbar ist, um Sinn in dem zu finden, was uns passiert, ist zu akzeptieren, dass die Situation so ist, wie sie ist, und nicht dagegen anzukämpfen. „Leg dich nicht mit der Realität an!“, fordert Byron Katie, Gründerin der Methode „The Work“. In dem Augenblick, in dem wir nicht mehr gegen eine Situation ankämpfen, übernehmen wir Selbstverantwortung und können nach Lösungen suchen, die uns aus der Krise führen. Das bedeutet, dass man sich der Realität stellt und in dem Bewusstsein handelt: „Ich habe die Wahl. Was kann ich tun?“
Das führt zum 2. Schlüssel:

2. Schlüssel: Lösungsorientiert denken
Lösungsorientiert handeln

Sobald man Verantwortung für sich und sein Leben übernimmt, gibt man die Opferrolle auf und wird zum Handelnden. Auch in schrecklichen Situationen ist es möglich, ein Gefühl von Handlungsfähigkeit zu erfahren, indem man eine aktive gestaltende Rolle einnimmt. Dann kann man Wege aus der Krise finden und Bewältigungsstrategien entwickeln. Dafür muss man sich zunächst einmal die richtigen Fragen stellen: Was kann mir helfen? Was brauche ich, um gesund zu werden, um diese Krise zu bewältigen?
Verschiedene Möglichkeiten stehen hierfür zur Verfügung. Wir können:

  • Verpflichtungen zurückschrauben und uns in die Verlangsamung, die Entschleunigung begeben
  • lernen, Stress abzubauen, z. B. durch Yoga, Meditation, Massagen, Spazierengehen, kreative Tätigkeiten wie Zeichnen, Malen, Musizieren
  • für regelmäßige Bewegung sorgen. 10 bis 15 Minuten täglich reichen aus, um Stresshormone im Körper abzubauen
  • den Kontakt zu anderen Menschen pflegen
  • bei Bedarf professionelle Hilfe in Anspruch nehmen

3. Schlüssel: Seine Unterscheidungskraft schärfen

Es ist sehr wichtig, seine Unterscheidungskraft zu schulen, denn sie vermittelt uns die Fähigkeit, uns für das zu entscheiden, was für uns richtig, stimmig ist. Hier spielt unsere innere Stimme eine zentrale Rolle, denn sie flüstert uns unentwegt zu, was für uns gut bzw. schädlich ist. Wir müssen nur auf sie hören. Sind wir mit unserer Intuition in Kontakt, findet Synchronizität statt, d. h., es geschehen Ereignisse, Begegnungen, Fügungen, die uns auf unserem Weg helfen. Es ist, als würde uns das Universum Zeichen schicken, die uns bestätigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind – in Form eines Arztes, der im richtigen Augenblick die richtige Therapie anbietet, eines Freundes oder einer Freundin, die uns einen Rat geben und so zum nächsten entscheidenden Schritt verhelfen, oder auch in Form eines Buches, das man aus dem Regal holt und das haargenau die Botschaft enthält, die wir gerade brauchen. Erst wenn wir in einem Zustand totaler Offenheit sind, wenn wir ein weiches, offenes Herz haben, treten wir ein in das magische Feld der Synchronizität.

4. Schlüssel: Durchhaltevermögen/Ausdauer

Oft werden wir entmutigt, wenn wir Rückschläge erleiden. Es ist jedoch sehr wichtig, dass unser Glaube an einen guten Ausgang ungebrochen bleibt. Dass wir nicht sofort aufgeben, sondern immer wieder aufstehen, bis wir ganz zentriert sind, um dann aus dieser Zentriertheit heraus zu entscheiden. Denn Heilung ist wie das Leben: Sie ist kein geradliniger Prozess, sondern sie macht Sprünge. Sie steigt an, steht still, fällt ab und steigt wieder an. Der unerschütterliche Glaube an eine Genesung hilft uns dabei, viel Geduld aufzubringen und die Hoffnung nicht zu verlieren.

5. Schlüssel: Sein seelisches Immunsystem stärken

Genauso, wie wir unsere Immunabwehr mit kräftigenden Mitteln stärken, können wir unser seelisches Immunsystem unterstützen, indem wir unsere Seele nähren – durch Menschen, die uns guttun oder auch durch inspirierende Lektüren wie die Biografien mutiger, engagierter Menschen, die durch ihren Einsatz und ihre Visionen viele Menschen inspirieren.
Wenn wir die Biografien bekannter Persönlichkeiten lesen, erkennen wir auch, dass es kein Leben ohne Schicksalsschläge gibt: Der berühmte Quantenphysiker Prof. Hans-Peter Dürr* beispielsweise ist während des 2. Weltkriegs gleich mehrmals dem Tod entkommen. Der Neurowissenschaftler Dr. Joe Dispenza** hatte einen schweren Unfall, der sein Leben von Grund auf veränderte. Durch die Kraft seines Geistes und seine starke Konzentration auf alles, was seine Genesung förderte, sowie sein Durchhaltevermögen ist er letztlich wieder gesund geworden. Seitdem gibt er Workshops weltweit, um zu zeigen, dass das, was man Spontanheilungen nennt, kein Wunder ist, sondern geistigen, feinstofflichen Prozessen konzentrierter Bewusstseinsarbeit unterliegt. Diese Menschen zeigen uns neue Lebensperspektiven auf, sie öffnen uns für eine andere Dimension des Lebens und Heilens und vermitteln die Botschaft: „Wir sind mehr, als wir zu sein glauben!“

Auch Aufenthalte in der Natur stärken uns innerlich. Die Natur ist ein großes Kraftreservoir, eine unerschöpfliche Quelle des Energie-Auftankens mit ihrer stärkenden Wirkung auf Körper und Geist. Wir sollten uns nicht nur an ihrer unglaublichen Schönheit erfreuen, sondern uns auch ein Beispiel an ihr nehmen – vor allem an ihrem immerwährenden Streben nach lebensorientierten Lösungen.

6. Schlüssel: Verbundenheit – Starke zwischenmenschliche Beziehungen

Verbundenheit ist eine äußerst wirksame Ressource – auch gegen die Angst. In der Verbundenheit erfahren wir, dass wir nicht allein, sondern von Menschen umgeben sind, die uns helfen können und denen auch wir helfen, und dass wir jederzeit die bestehenden Probleme gemeinsam lösen können.
Zu den wichtigen zwischenmenschlichen Beziehungen gehören nicht nur Lebenspartner, Freunde usw., sondern auch Ärzte und Therapeuten, die in einfühlsamer Interaktion mit ihren Patienten sind.
Die Corona-Krise hat uns eindrücklich gezeigt, dass eingeschränkte Kontakte die Seele sehr belasten und einen konstant hohen Stresspegel verursachen, der die Immunantwort beeinträchtigt und anfälliger für Krankheiten macht. Insbesondere soziale Isolation bringt viele Menschen, überwiegend Ältere und Kranke, in seelische Not.
Beziehungen spielen eine derart zentrale Rolle im Leben, dass Prof. Dr. Dr. Christian Schubert***, Experte auf dem Gebiet der Psychoneuroimmunologie, sie als den mit Abstand größten Einflussfaktor für unsere Gesundheit betrachtet.

7. Schlüssel: Spirituelle Verankerung

Der siebte Schlüssel ist gleichzeitig auch der wichtigste Schlüssel: Sich eingebettet in etwas Größeres zu fühlen, ist die größte Ressource überhaupt! Es ist sehr wichtig, diese spirituelle Verankerung in uns zu entwickeln. Denn die Welt wird bis zum Ende unseres Lebens nicht aufhören, ungewiss zu sein und von Umwälzungen heimgesucht zu werden. Unsere innere Stabilität ist die einzige Konstante in einer Welt, die sich ständig wandelt.
Hierzu ist es essenziell, innere Ruhe zu entwickeln bzw. zu bewahren. Wir sollten alles tun, was unser Nervensystem beruhigen kann, d. h. den Nervus vagus, also den parasympathischen Zweig des Zentralnervensystems, durch alles aktivieren, was unserer Seele guttut – z. B. durch Entspannung, Meditation, erfüllende Lektüren, Massage usw.
Der Neurowissenschaftler Joe Dispenza empfiehlt, in der Meditation zu bleiben, bis wir unseren Körper nicht mehr spüren, sondern nur noch Freude. In diesem Augenblick verbinden wir uns mit der Intelligenz der Seele – mit der Liebesintelligenz.

Das Leben – unser größter Lehrmeister

Mit diesen sieben Ressourcen werden wir psychisch stark, d. h., wir antworten auf das Leben mit Widerstandskraft, mit Resilienz. Menschen mit ausgeprägter Resilienz betrachten eine Krise als Herausforderung und gehen am Ende gestärkt aus ihr hervor. Worüber sich Menschen mit geringer psychischer Widerstandskraft nicht im Klaren sind, ist, dass sich Resilienz in der Krise entwickelt, sich beweist. Es ist nicht eine Fähigkeit, die von vornherein da ist, sondern sie wird trainiert – immer wieder von Neuem, durch die Haltung, die wir angesichts herausfordernder Situationen annehmen.
Menschen, die resilient sind, nehmen das Leben in die Hand. Sie entscheiden sich, zu leben, anstatt vom Leben gelebt zu werden. Sie antworten auf das Leben.
„Das Leben selbst ist es, das dem Menschen Fragen stellt. Er hat nicht zu fragen, er ist vielmehr der vom Leben her Befragte, der dem Leben zu antworten – das Leben zu ver-antworten – hat.“ (Viktor Frankl)
Das Leben ist also unser größter Lehrmeister. Denn es bringt ununterbrochen Situationen und Veränderungen, die uns zwingen, uns weiterzuentwickeln – auch wenn wir es zunächst nicht sehen können wie z. B. im Falle der jetzigen Pandemie.
Man kann jede Krise nutzen, auch eine globale Krise, um universelle spirituelle Prinzipien zu erkennen und in sein Leben zu integrieren und neue Werte, neue Perspektiven zu entwickeln. Viele Menschen haben z. B. seit März 2020 neue positive Erfahrungen gemacht. Sie haben erlebt, wie wichtig gute soziale Beziehungen und das Gefühl von Zugehörigkeit sind. Andere haben die Natur und ihre nahe Umgebung schätzen gelernt. Wieder andere haben den Wert der Genügsamkeit für sich entdeckt und erkannt, dass Reduzierung keine Strafe ist, sondern eine Vereinfachung des Lebens bedeuten und mit mehr Entspannung und einer höheren Lebensqualität einhergehen kann. Sie haben durch die Krise eine andere Haltung in ihrem Leben eingenommen und einen Wandel herbeigeführt.

Das Wort Krise bedeutet Wende. Krisen fordern eine Entscheidung für einen neuen Lebensabschnitt. Sie sind Wandlungsprozesse, wenn wir für einen Wandel bereit sind. Gerade jetzt scheint auch auf der kollektiven Ebene ein großer Wandel im Gang zu sein.


Was fördert Heilung, was hindert sie?

„Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem, die Heilung eine musikalische Auflösung“, sagte der Dichter Novalis. Diese Metapher zeigt, wie sehr unsere Gesundheit von der richtigen Schwingung, vom richtigen Rhythmus abhängt. Jeder Organismus pulsiert in einem ihm zugehörigen Rhythmus. Wenn dieser Rhythmus durch verschiedene Faktoren, vor allem durch lang anhaltenden äußeren oder inneren Stress aus dem Takt gerät, werden wir krank. Denn verlängerter und intensivierter Stress schafft eine Anspannung im Körper und schwächt das Immunsystem und unsere Selbstheilungskräfte.
Eine Krankheit entsteht also zunächst aus einem Ungleichgewicht heraus. Sie fängt im energetischen Bereich an, meist unmerklich: Man spürt ein Unbehagen, eine Störung, die sich später als Symptom(e) im Körper manifestiert. Eine Krankheit ist jedoch weit mehr als nur die Symptome, die uns plagen. Diese sind die Spitze des Eisbergs. Wenn man lernt, sie richtig zu deuten, verweisen sie auf wichtige Zusammenhänge in unserem Leben, die wir aus dem Blick verloren haben und die uns auffordern, über unser jetziges Leben zu reflektieren und ihm ggf. eine neue Richtung zu geben, die unserem tiefen Wesen mehr entspricht.
In der Sprache der Aborigines gibt es interessanterweise kein Wort für Heilung. Sie sprechen davon, „jemanden wieder glücklich zu machen“. Heilung bedeutet für sie, wieder im Einklang mit sich selbst zu leben, indem man jene Anteile integriert, die man vernachlässigt hat.
Im Wort Heilung steckt das Wort „heil“: ganz. Eine Krankheit kann als ein Ruf betrachtet werden, unsere natürliche Ganzheit wiederzuerlangen, um der zu werden, der man ist. Auf den ersten Blick scheint dies zwar widersprüchlich zu sein, zu werden, wer man bereits ist. Doch es geht darum, bewusst zu erkennen, was uns in der Tiefe ausmacht. Was wir brauchen, um glücklich und gesund zu sein bzw. zu bleiben, unserer Persönlichkeit entsprechend. Es geht also um Selbst-Bewusstsein. Dieses gilt es, mit vollem Bewusstsein zu erkennen und nach außen zu bringen – in Form der Berufung, der Talente, die wir haben, der Art und Weise, wie wir auf die Anforderungen des Lebens reagieren.
Dieses „Werde der, der du bist“ veranschaulicht auch folgende Geschichte auf eindrückliche Weise: Rabbi Belschem liegt im Sterben. Sein Sohn sagt zu ihm: „Vater, es wäre wunderbar, wenn du vor Gott treten und sagen könntest: ‚Ich bin Abraham‘.“ Der Rabbi antwortet ihm: „Gott wird mich nicht fragen: ‚Warum warst du nicht Abraham?‘ Er wird mich fragen: ‚Warum warst du nicht Belschem?‘“

  • Heilung bedeutet, eine gute Kommunikation zwischen Körper und Seele herzustellen

Körper und Seele sind ständig im Dialog miteinander. Eine Trennung zwischen Körper und Geist gibt es nicht, deshalb sollte eher vom Körpergeist die Rede sein, um diese innewohnende Interaktion zu verdeutlichen.
Heilung bedeutet, Kontakt mit dem Heiler in uns aufzunehmen, was zur Mobilisierung unserer Selbstheilungskräfte führt. Wenn wir den Kontakt zu dem Heiler in uns, zu unserem inneren Arzt, aufnehmen, wird er uns sagen, was zum richtigen Zeitpunkt zu tun ist. Er wird uns zur richtigen Therapie führen, zum richtigen Behandler, zur richtigen Arznei usw.
Dr. Wolf Büntig * (1937–2021), Arzt und Begründer der potential orientierten Psychotherapie sowie Gründer des Seminarzentrums ZIST in Penzberg, hat einen sehr schönen Ausdruck formuliert, um die untrennbare Einheit zwischen Körper und Seele zu verdeutlichen: „Die Seele verkörpern, den Körper beseelen“. Das bedeutet, dass beide nicht zu trennen sind: Solange wir leben, inkarniert der Körper die Seele, und die Seele beseelt den Körper. Die Seele gibt die Ausrichtung, sie ist die übergeordnete Instanz, die uns die Fähigkeit zur Unterscheidung verleiht: zwischen gut und schlecht, heilsam und schädlich. Die innewohnende Eigenschaft der Seele ist die spirituelle Intelligenz.

Parallel dazu gibt es die Körperintelligenz: Zu oft wird der Körper vernachlässigt und lediglich als Maschine betrachtet, die es zu reparieren gilt, wenn wir krank sind. Unser Körper ist jedoch ein untrügerisches Barometer, das uns zeigt, was der Körper braucht in Form von Spannung (= Konflikt mit der Seele) oder Entspannung (= Balance, Harmonie, Übereinstimmung mit der Seele). Lange bevor eine Krankheit ausbricht, gibt unser Körper uns Zeichen durch Symptome und manchmal sogar eindeutige Hinweise, damit wir wieder nach jenem Rhythmus leben, der uns eigentlich entspricht. Damit wir nach dem leben, was uns in der Tiefe unseres Wesens guttut. Doch leider nehmen wir diese Warnzeichen oft nicht wahr. Krankheiten sind daher immer auch eine Chance für inneres Wachstum – vorausgesetzt, wir nehmen uns die Zeit, unsere Krankheitssymptome entsprechend zu deuten und die tiefe Bedeutung der Krankheit zu erfassen.

  • Stress – Krankheitsfaktor Nr. 1

Alle Krankheiten sind mehr oder weniger die Folge von anhaltenden stressbedingten Zuständen. Wenn der Körper durch körperlichen oder emotionalen Stress über einen längeren Zeitraum hinweg in Anspannung ist, ist der Weg für Krankheiten geebnet. Denn Stress unterbricht jegliche Kommunikation mit dem Körper und seinen Selbstheilungskräften. Erst wenn wir den Kontakt zwischen unserem Körper und unserem Geist wiederherstellen (z. B. durch Meditation, Psychotherapie, Affirmationen, Visualisierungen, Bewegung wie Yoga oder Tai-Chi), kommt die Energie, die vorher ins Stocken geraten ist, wieder in Fluss. Unsere Selbstheilungskräfte fangen an zu wirken, und Heilung kann stattfinden.

Dass Stress die Hauptkrankheitsursache ist, bestätigt auch Dr. Wolf Büntig. Er geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt: „Der größte Stress entsteht, wenn wir an uns vorbei leben und unser Leben unerfüllt bleibt.“ In seinen Augen leben wir dann an uns vorbei, wenn wir – mit viel Energie – versuchen, so zu sein, wie wir nicht sind; wenn wir uns bemühen, etwas darzustellen, etwas zu leisten, was uns nicht entspricht. Aber wir können unsere Seele nicht täuschen. Früher oder später zwingt sie uns zu einer Lebenskorrektur in Form einer Krise oder einer Krankheit. Beide stellen einen Wendepunkt dar, an dem das Leben uns die Möglichkeit bietet, etwas, das aus dem Gleichgewicht geraten ist, wieder in Balance zu bringen.

  • Es gibt kein größeres Heilmittel als unser tiefes Wesen

Jeder Mensch hat einen angeborenen Willen zur (Selbst-)Heilung, eine unglaubliche Fähigkeit zur Selbstreparatur. Diese Selbstheilungskräfte liegen ganz tief in uns verborgen und warten nur darauf, angeregt zu werden.
Auch wenn es viele Wege der Heilung gibt, geschieht Heilung ab dem Moment, in dem wir in Kontakt mit uns und unserem inneren Selbst sind. Deshalb kommt Heilung immer aus unserer Mitte, aus dem Zentrum unseres Selbst. Wenn wir wieder Anschluss an unser tiefstes Wesen bekommen, sind wir in direktem Kontakt mit Energien, die eine ordnende, harmonisierende und heilende Kraft besitzen.
Für jeden von uns ist klar, dass wir erkranken, wenn unsere körperlichen Grundbedürfnisse wie atmen, essen, trinken usw. nicht gedeckt werden. Wir werden aber genauso krank, wenn unsere spirituellen Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden. Viele Menschen leiden in der westlichen Gesellschaft an einer „noogenen Neurose“, um mit den Worten Viktor Frankls zu sprechen – d. h. an einer Neurose, die nicht psychischer, sondern existenzieller Natur ist.

Wir sind geistige Wesen, die sich für ihr körperliches und seelisches Wohlergehen von niemandem abhängig machen müssen. Und hier fängt der Erkenntnisprozess an: eine Krankheit nicht als Fluch zu betrachten, sondern als eine geschenkte Herausforderung, die darin besteht, nicht in die Symptomatik der Erkrankung zu verfallen, sondern die Krankheit als Sprachrohr der Seele zu erkennen.